Ein Anleger erwirbt eine Kommanditbeteiligung an einem Schiffsfonds auf dem Zweitmarkt. Der Fonds gerät in die Krise und später in Insolvenz. Der Insolvenzverwalter nimmt den Anleger auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Anspruch, die an seine Rechtsvorgängerin trotz fehlender Gewinne gezahlt worden sind. Dabei wurde dem Anleger im Rahmen seines Kaufvertrages ausdrücklich zugesichert, dass es keine haftungsschädlichen Ausschüttungen gab.
Die wiederaufgelebte Kommanditistenhaftung ist ein Klassiker der gesellschafts- und bankrechtlichen Rechtsprechung. Die Ausgangslage ist dabei bestechend einfach: Gemäß § 172 Abs. 4 Handelsgesetzbuch (HGB) haftet ein Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft, wenn er “Gewinne” entnimmt, obwohl sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag seiner Einlage herabgemindert ist. Mit anderen Worten: wer als Kommanditist Ausschüttungen trotz Verlusten annimmt, muss befürchten, auf Rückzahlung dieser Beträge in Anspruch genommen zu werden. Besonders praxisrelevant ist dieser Umstand für Anleger geschlossener Fonds, weil diese sehr oft gewinnunabhängige Ausschüttungen vorsehen, um dem Anleger Sicherheit, gute Geschäfte und eine scheinbare Rendite zu vermitteln.
Der Teufel steckt nun wie so oft im Detail. In einem meiner Fälle behauptete jetzt ein Insolvenzverwalter aufgrund interner Buchungsunterlagen gegenüber meinem Mandanten Ausschüttungen an einen früheren Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil mein Mandant erworben hatte. Der Erwerb der Beteiligung lag über zehn Jahre zurück, die angeblichen Ausschüttungen sogar noch länger. Unterlagen waren keine mehr vorhanden. Der Kaufvertrag meines Mandanten beinhaltete indessen die ausdrückliche Zusage, dass es keine Ausschüttungen gegeben hatte. Die internen Buchungsunterlagen sagten etwas anderes.
Eine Frage für die Beweislast.
Grundsätzlich muss im deutschen Zivilprozess stets die Partei den Beweis für die für sie günstigen Tatsachen führen. Weil die Rückzahlung bzw. Entnahme den Haftungsanspruch begründet, muss – so die von mir in dem Prozess vertretene Auffassung – der Gläubiger bzw. der Insolvenzverwalter den Nachweis führen. Der vertrat naturgemäß eine andere Auffassung zu dieser Frage und meinte, aufgrund der Unkenntnis eines Gesellschaftsgläubigers läge die Beweislast beim Anleger.
Am 1. Juli 2021 hat das Landgericht Hamburg meinem Mandanten und mir Recht gegeben. Die Klage wurde abgewiesen. In seinem Urteil führt das Landgericht Hamburg aus:
“Trotz entsprechendem gerichtlichen Hinweis hat die Klägerin bis auf die als Anlage K2 vorgelegten Entnahmekontenentwicklungen der Jahre 1996 bis 2009 keine weiteren Belege für die etwaigen Auszahlungen an die Rechtsvorgänger des Beklagten vorgelegt. Diese als reine interne Buchungsunterlagen zu wertenden Auszüge sind bereits nicht geeignet, die Anweisung der Auszahlungen an die Rechtsvorgänger des Beklagten zu beweisen. Sind sind folglich erst Recht nicht dazu geeignet, den tatsächlichen Erhalt dieser Beträge bei den jeweiligen Rechtsvorgängern nachzuweisen.” (Urteil LG Hamburg 314 O 165/20)
So sehe ich das naturgemäß auch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig
Heute war mündliche Verhandlung beim Amtsgericht Idar-Oberstein in einer von mir ebenfalls vertretenen Parallelsache. Ich bin gespannt, wie die Entscheidung dort ausfällt.